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About

Myriam de Wurstemberger

Zur Widersprüchlichkeit des menschlichen Daseins in den Objekten der Berner Künstlerin

 

Myriam de Wurstemberger (*1981) ist freischaffende Künstlerin und lebt in Bern. Sie schloss ihr Bachelorstudium in Bildender Kunst an der Hochschule der Künste Bern ab (2012). Im Jahr 2023 wurde ihre Arbeit von der Berner Design Stiftung und der Kulturförderung des Kantons Bern ausgezeichnet. Die Werke der Künstlerin wurden in Einzelausstellungen im Grand Palais oder in der Galerie ZET2 in Bern sowie schweizweit in zahlreichen Gruppenausstellungen ausgestellt. De Wurstemberger kreiert Objektkunst aus Materialien, deren Eigenschaften wir aus dem alltäglichen Gebrauch kennen und schafft durch die gezielte Kombination von kontrastierenden Materialien unter Anwendung einer grossen Bandbreite an handwerklichen Techniken Objekte, die berühren, irritieren und anregen - mit einer Prise Humor.

 

Ein besonderer Aspekt der Arbeiten von Myriam de Wurstemberger sind handwerklich aufwändige Techniken, Giesstechniken jedoch insbesondere auch diverse Techniken zur Verarbeitung von Textilien, wie das Weben, Sticken, Stricken und Häkeln. Als gelernte Damenschneiderin beherrscht sie diese ausgezeichnet und schafft Objekte, die neben einer überzeugenden künstlerischen auch eine hohe handwerkliche Qualität aufweisen.

 

Myriam de Wurstemberger kombiniert in ihren Objekten oft zwei unterschiedliche Materialien, die durch ihre gegensätzlichen Materialeigenschaften miteinander kontrastieren und in ihrer Kombination gezielt irritieren. In der Arbeit DU SOLLST LIEBEN von 2011 beispielsweise bringt die Künstlerin Reissnägeln auf einen Boxhandschuh auf. Der weiche Handschuh steht im Kontrast zu den spitzen und harten, nach innen und aussen gerichteten Reissnägeln, mit denen er übersät ist. Die Funktion des Boxhandschuhs wird umgedreht. Das Objekt, das beim Boxen Schläge abfedern soll, wird zu einer potenziellen Waffe, die sowohl den Schlagenden als auch den Geschlagenen verletzen kann. Der Titel des Werks unterstreicht den Kontrast und die Umkehrung: das normalerweise positiv konnotierte Gefühl: LIEBEN, in Kombination mit der Formulierung in Befehlsform: DU SOLLST. Ähnlich funktioniert eine Serie von Arbeiten mit Hand Abgüssen aus Keramik-Gießpulver. Zum realistischen Handabguss aus harter Keramik drapiert de Wurstemberger jeweils wahlweise eine anschmiegsame Flechtarbeit aus Leder (MISTERFOLG, 2023), eine fragile Knüpfarbeit aus Pferdehaar (EINKAUFS-SACK, 2023) oder ein weiches, aus über 100 Einzelteilen bestehendes Baumwoll Objekt, das an eine hängende überreife Traube erinnert (MENSCHENTRAUBE, 2021).

 

Räumlichkeit spielt in den kleineren wie auch in den raumfüllenden Werken der Künstlerin eine wichtige Rolle. Durch ihre jahrelange Tätigkeit als Kostüm- und Bühnenbildnerin in der freien Theaterszene hat de Wurstemberger ihr Gespür für Räumlichkeit perfektioniert, was in ihren Werken spürbar zum Tragen kommt. Ihre Objekte hängen von der Decke, stehen auf Sockeln, Schaufensterpuppen oder ragen aus der Wand, wobei der umgebende Raum Teil der Inszenierung wird. Mit Werken wie der Arbeit SAFE SPACE von 2023 geht sie noch einen Schritt weiter und thematisiert den Aspekt der Bewegung und Zeitlichkeit im klassischerweise ruhenden Objekt. Das Objekt SAFE SPACE ist eine Haut, ein textiles Kostüm, auf das die Künstlerin 24‘000 nach aussen gerichtete Messingnadeln appliziert hat. Dieses Objekt ist in seiner Gänze nur über das bewegte Bild, das Video oder im Rahmen einer Live-Performance im Raum erfassbar.

 

Die Kombination aus realistischen Motiven und humorvoller Titelgebung mit anspruchsvollem Handwerk und den stets im Widerspruch zueinander stehenden Materialien ist zugänglich. Die als Ausstellungsobjekte unberührbaren Werke, deren Materialbeschaffenheit wir alle aus dem Alltag kennen, wecken Erinnerungen und lassen bewegende Geschichten in unseren Köpfen entstehen. Die Objekte der Künstlerin Myriam de Wurstemberger berühren, wollen berührt werden und machen durch die Nähe zur alltäglichen Lebenserfahrung und der humorvollen Leichtigkeit mit der die Künstlerin grosse Lebensfragen anspricht, die Widersprüchlichen des menschlichen Daseins erfahrbar.

 

Text: Jasmin Glaab

Bern, 2024

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